Wunder
Beinahe täglich wundern wir uns über irgend etwas, doch wirkliche Wunder, die allen Naturgesetzen und logischen Erklärungen zuwiderlaufen, sind schon seltener. Überhaupt ist die Existenz von Wundern, die Überzeugung, dass solch ungewöhniche Dinge wie Spontanheilungen, Entrinnen aus Gefahren oder plötzliche positive Änderung der Lebenssituation geschehen können, sowohl Glaubensfragen als auch selbstbestimmte Überzeugung.
Religiöse Menschen sind meist von der Möglichkeit von Wundern überzeugt und sehen sie als direktes Eingreifen einer höheren Macht. Eine hoffende Grundhaltung und vertrauende Erwartung bereiten sozusagen den Boden für Wunder. Die Bibel ist voll von Wundern beewirkt durch Jesus oder im Alten Testament von Gott gesandte Wunder wie der Brennende Dornbusch.
In früherer Zeit, als die Naturwissenschaften noch nicht in dem Maß für Erklärungen vieler Phänomene zuständig waren wie heute und auch selbst noch über wenig Wissen verfügten, wurde so ziemlich alles als Wunder betrachtet, das für den menschlichen Geist nicht fassbar war.
Im einfachen Volk, das meist völlig ungebildet war, blühten deshalb der Wunderglaube und natürlich auch der Aberglaube. Der Unterschied zwischen Magie, Scharlatanerie und Wundern war fließend und kaum abgrenzbar.
Würden unsere Vorfahren die Wunderwerke der modernen Welt sehen können, sie würden sie nicht für real halten. Was noch vor Generationen einfach undenkbar war, ist für uns Selbstverständlichkeit und schon lange kein Wunder des Fortschritts mehr.
Dass durch inniges Hoffen, durch unbeirrbar großen Glauben und tiefer Überzeugung auch eine tatsächliche Gesundung eintreten kann, ist heute mittlerweile auch wissenschaftlich bewiesen. Wer von etwas absolut überzeugt ist, dessen Selbstheilungskräfte können dadurch so stark aktiviert werden, dass es wie ein Wunder erscheint. Diese seelisch aktivierbaren Kräfte können aber nicht für alles Ver-wunder-liche und doch für viele herangezogen werden. Schon Goethe sagte: "Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als unsere Schulweisheit sich träumen lässt."
Eigens vom Vatikan beauftragte Grenzwissenschafter sind beauftragt, unerklärliche Phänomene auf das genaueste zu prüfen, um Marienerscheinungen, weinenden Statuen, geisterbewohnten Häusern und Ähnlichem auf den Grund zu gehen. Vieles davon ist eindeutig Scharlatanerie und perfekt inszenierte Schauspiele mit technischen Hilfsmitteln. Es bleiben aber immer noch eine Anzahl von unfassbaren Dingen und Geschehnissen übrig, für die bis heute keinerlei Erklärung gefunden werden kann.
Besonders an den Marienwallfahrtorten wird von Wunderheilungen berichtet. Die dort eigens dafür anwesenden Ärzte müssen dies durch genaue Anamnese der vorangegangenen Krankengeschichte mit Befunden belegt, gewissenhafter Dokumentation der Heilung und auch durch Nachuntersuchungen einen Zeitraum nach der erfolgten Heilung feststellen.
Es muß aber nicht immer nur die Heilung körperlicher Gebrechen oder lebensbedrohender Zustände sein, die als persönlich erlebte Wunder erkannt werden. Schon eine innere Wandlung und ein Akzeptieren des Gegebenen kann für den Betroffenen selbst und auch seinem Umfeld ein wirkliches Wunder bedeuten. Wir müssen aber nicht auf die großen Wunder warten, sondern lieber den Blick für all die kleinen Wunder, die uns täglich widerfahren, schärfen. Viele kleine Wunder sind zusammengenommen irgendwann dann auch ein großes. Akzeptieren wir die Herrlichkeiten der Natur als Wunder. Auch wenn man dies naturwissenschftlich bis ins kleinste Detail erklären kann, bleiben sie dennoch Wunder an Schönheit, Anmut und Lebenskraft. Die Dankbarkeit über das bewusste Erlebendürfen der Jahreszeiten, das Wachsen und Sprießen auch unserer Nahrung in Garten, Feld und Flur bewirkt in uns das Wunder, das Leben erfüllter und dankbarer leben zu können.
Die Krimmler Wasserfälle im Salzburger Pinzgau werden als "WasserWunderWelt" bezeichnet. Wer die Wasserfälle gesehen hat, würdigt sie als Wunder, das ist gewiss. Für Menschen aus wasserarmen Gebieten der Erde, die dieses Schauspiel sehen dürfen, müssen die tosenden klaren Trinkwassermengen, die hier über die Felsen herabstürzen, ein Wunder ohnegleichen sein!
Wird ein Menschenkind geboren, erscheint es den Eltern jedesmal wie ein neues Wunder, dass aus der Verschmelzung von Ei und Samenzelle ein richtiger Mensch hervorgehen konnte; einzigartig und kostbar. Manchmal geschieht auch das Wunder, dass ein zuerst abgelehntes Kind nach der Geburt für alle in der Familie zum neuen Lebensmittelpunkt, zur Sonne ihres Lebens wird. Alte und kranke Menschen betrachten oft jeden Tag, den sie noch erleben dürfen, wie ein Wunder. Entrinnt man einem Unfall, der nicht mehr abwendbar schien oder wird eine Prüfung entgegen aller Wahrscheinlichkeit geschafft, spricht man auch von einem Wunder, das einem widerfahren ist.
Ob dies dann als bloße Redensart dahingesagt wird, oder aber wirklich tief im Innersten als Wunder gesehen wird, hängt dann vom Einzelnen ab.
Viele Medikamente, Operationen, Kuranwendungen und medizinische Behandlungen von Wunderheilern durchgeführ) versprechen wahre Wunder - doch meist wundert sich der allzu Leichtgläubige später nur über sich selbst, dass er diesen Versprechungen geglaubt hat, über die leere Geldbörse darf er sich dann aber auch nicht wundern.
Viele Wunder der Technik entpuppen sich im Nachhinein auch als Fluch und Geißel für die Menschheit. Sogar im Fußball spricht man von Wundern, so nannte man den Sieg der Deutschen Fußballnationalmannschaft 1954 das "Wunder von Bern".
In manchen Lebenssituationen hofft man auf Wunder, will sie förmlich herbeizwingen, bei Eintreten des Gewünschten jedoch wird es dann als Selbstverständlichkeit gesehen.
In vielen Wörtern "wundert" es: wunderschön, wunderbar, wundervoll, wundermächtig, wundersam, wunderlich, wunderhübsch.
Eines der unbestreitbar größten Wunder, das dem Menschen widerfahren kann, ist das "Wunder der Liebe".
